In der Rheinbacher Partnerstadt Kamenický Šenov, früher Steinschönau, wird seit einigen Jahren das Lustrfest gefeiert. Vor über 300 Jahren in der nordböhmischen Glasregion entwickelt sind die Kristall-Kronleuchter (Lüster, auf Tschechisch Lustr) wie auch moderne Licht-Installationen nach wie vor weltweit gefragt.
Um dieses Fest mitzuerleben, aber auch um die Freundschaft zwischen den beiden Städten zu betonen, reiste Bürgermeister Banken zusammen mit dem Vorsitzenden der Freunde von Sevenoaks, Joachim Weiß, und dem stellvertretenden Vorsitzenden des Partnerschaftsvereins Rheinbach-Deinze, Uwe Janzen, nebst den Ehefrauen vom 12. bis 15. Juni nach Tschechien. Dabei auch ein Ehepaar aus Berlin.
Der Vorsitzende der „Freunde und Partner von Kamenický Šenov / Steinschönau und Umgebung e.V.“, Walter Erlenbach, hatte schon für den Freitag einige interessante Programmpunkte zusammengestellt.
Der morgendliche Besuch in der Glashütte Jilek zeigte die Fertigung von Krügen und Gläsern. Die Besucher erhielten hier einen Einblick in die manuelle Glasfertigung, die im Dezember 2023 durch die UNESCO zum immateriellen Kulturerbe der Menschheit erklärt wurde.

Einige der erzeugten Krüge mit „Ananas“-Dekor sind durch den Film „Barbie“ weltweit bekannt geworden und daher sehr gefragt – was der Hütte inzwischen Vollbeschäftigung gebracht hat.
(Anmerkung: Ananas-Gläser aus dieser Hütte werden demnächst auch im Shop des Glasmuseums in Rheinbach zu kaufen sein.)
Der Besuch des Glasmuseums von Kamenický Šenov schloss sich an. Das über 300 Jahre alte Gebäude wird derzeit von Grund auf saniert, weshalb nur ein geringer Teil der Ausstellung zugänglich ist. Ingrid Konstanzer und Hana Šramkova konnten aber noch die Präsentation zum hundertjährigen Jubiläum des Museums zeigen – an der Feier 2023 nahmen auch die Teilnehmer der Rheinbacher Bürgerfahrt 2023 teil. Erstmals – für das Lustrfest – wurden auch die Kellerräume präsentiert.

Eine spontane Einladung von Hedvika Raiterova, der Witwe von Ota Raiter, dem Gründungsbürgermeister der Städtepartnerschaft, zu Kaffee und Kuchen überbrückte den Nachmittag.
Zum Pflichtprogramm jedes Besuchs aus Rheinbach gehört der „Alte Friedhof von Steinschönau“. Radim Vácha, der Vorsitzende des Vereins SONOW, erläuterte die bisher schon erfolgten Restaurierungen der Grabmale, die teilweise kunsthistorischen Wert besitzen, wies auf die verschiedenen Stile von Barock bis Klassizismus hin und auf die große Symbolik, die dort zu finden ist. Mit den Arbeiten unter der Leitung der Restauratorin Eva Mičková vom Nationalmuseum Prag und der Akademie der bildenden Künste wurde 2016 begonnen, 2024 erhielt das Projekt den nationalen Denkmalpflegepreis PATRIMONIUM PRO FUTURO. Die Arbeiten – bisher großzügig unterstützt vom Deutsch-Tschechischen Zukunftsfonds – werden noch einige Jahre nötig sein, deshalb sammelt der Rheinbacher Partnerschaftsverein weiterhin Spenden für dieses Vorhaben.

Die Besucher mit tschechischen Freunden auf dem Alten Friedhof vor der Kirche.
Abgeschlossen wurde der Tag durch einen zweiten Besuch in der jetzt nächtlichen Glashütte Jilek. Die Akrobatin Vivian Friedrich zeigte vor und über den Glasöfen ihre Kunst, und einer der größten böhmischen Kronleuchter war auf dem Speicher der Hütte zu besichtigen – in voller Leuchtkraft. Für einige Besucher war aber das Glas Wein auf dem Bahnhof an einem Eisenbahn-Waggon – auch zur Glashütte gehörend – attraktiver.

Das eigentliche Lustrfest am Samstag wurde eröffnet in der Galerie Prousek in Stadtteil Prácheň (früher Parchen). Neben den eigenen Erzeugnissen der Gastgeber mit dem Schwerpunkt „Glas und Licht“ waren die Objekte des in der Partnerstadt stattgefundenen Gravur-Symposiums ausgestellt. Beteiligt waren auch drei Schülerinnen der Rheinbacher Glasfachschule mit Ihrer Lehrerin Sabina Ramershoven. Zur Eröffnungsfeier gehörte eine Modenschau: Schülerinnen (und Schüler ?) der Schule für Glas und Design hatten mit ihren Lehrerinnen Kleider entworfen und genäht, die von professionellen Models vorgeführt wurden.
Der Direktor der Schule, Pavel Kopřiva, begrüßte anschließend die deutschen Besucher und gab einen Überblick über die Geschichte der ältesten Glasfachschule der Welt, die im Jahre 1856 gegründet wurde. Seit 1996 besteht eine offizielle Partnerschaft zum Rheinbacher Pendant. Im Schulmuseum konnten die Besucher auch Exponate wiedererkennen, die bei verschiedenen Rheinbacher Glaskunstpreisen gewonnen hatten. Anschließend führte Zdeněk Skok, Lehrer für Deutsch und Mathematik und Vorsitzender des Partnerschaftsvereins „Spolek přátel Rheinbachu“, durch die Räumlichkeiten und Werkstätten der vor wenigen Jahren sanierten und erweiterten Schule. Beim Flohmarkt der Schule wurde wie auch schon am Vortag in der Hütte und im Glasmuseum manches Stück gekauft, das jetzt in Rheinbacher Wohnungen und Gärten steht.
Der Besuch in der Glasfachschule zog sich länger als geplant hin. So wurde der nächste vorgesehene Programmpunkt des Lustrfestes verpasst: Die Eröffnung eines Buswartehäuschens. Seit einigen Jahren verschönern und illuminieren Schülerinnen und Schüler der Glasfachschule die Unterstände, die dann beim Lustrfest feierlich eingeweiht werden.
Nach einer Stärkung an einer der vielen Imbiss-Stände auf dem Stadtfest dann der offizielle Höhepunkt des Besuches: Unter der 2003 gepflanzten Freundschafts-Eiche weihten die beiden Bürgermeister, Martin Bártl und Ludger Banken, eine neue Freundschafts-Bank ein.


Anschließend wurden die Besucher zu einem kleinen Empfang eingeladen – neben einer weiteren Stärkung wurden kleine Gastgeschenke übergeben. Die tschechischen Gastgeber hatten noch ein passendes T-Shirt des Lustrfestes für Bürgermeister Banken aufgetrieben, welches dieser stolz präsentierte.

Schnell ging es dann weiter ins alte Kino, wo schon traditionell bekannte frühere Persönlichkeiten der Stadtgeschichte in Wort und Bild vorgestellt wurden. Die bereits bei der Eröffnung gezeigten „Designer“-Kleider wurden noch einmal präsentiert – diesmal aber von Schülerinnen der Glasfachschule, die mit viel Vergnügen „ihre“ Kollektion vorführten.
Zum Abschluss des Lustrfestes wurde der Phönix, der tagsüber auch von den Rheinbacher Besuchern mit bemalten Kupfer-„Federn“ versehen worden war, im Dvořák-Park hochgezogen und illuminiert.

Kein Besuch in der Partnerstadt, ohne einmal am Herrenhaus-Felsen (Panská Skála) gewesen zu sein. Mit einem Blick auf diese imponierenden Basaltsäulen verabschiedeten sich die deutschen Besucher aus der Partnerstadt mit ihren überaus herzlichen Bewohnern und Freunden.

(alle Fotos privat)